AutorIn des Monats
An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen unsere beliebtesten Autorinnen und Autoren. Viel Vergnügen beim Kennenlernen und Lesen!
Autor des Monats: Erwin Macher
Erwin Macher, geboren 1958. Lebt in Gleisdorf (Österreich). Erlernter Beruf: Bürokaufmann. Langjährig als Logistik-Gruppenleiter in der Automobilbranche tätig. Bereits in Pension. Seither zahlreiche Veröffentlichungen. Genre: Satiren, Kurzgeschichten, Minimalgeschichten, Gedichte, Märchen.
Probleme mit einem besonders originellen Geschenk
Wenn man, so wie ich, ein reiferes Lebensalter erreicht hat, dann weiß man im Idealfall über seine eigenen Stärken und Schwächen einigermaßen Bescheid. Nun, eine meiner Schwächen ist, dass ich überhaupt kein Gespür für die Auswahl passender Geschenke zu den verschiedensten Anlässen habe. Mir fällt einfach nie das Passende ein und wenn ich dann doch notgedrungen etwas in letzter Minute besorge, dann ist es so gut wie immer nur eine Verlegenheitslösung und die von mir Beschenkten müssen dann eine freundliche Miene dazu machen. Und das betrifft nicht nur meine Familie oder die Verwandtschaft. Nein, auch meine Freunde sind davon betroffen. Ich habe zwar schon oft vorgeschlagen, nur mehr die Kinder zu beschenken, da wir Erwachsenen ohnehin im reinsten Überfluss leben. Aber dieser Vorschlag stieß bisher stets auf taube Ohren. Und so wird das ganze Theater, wie gehabt, fortgesetzt. Den einzigen Trost, den ich dabei empfinde, ist der, dass auch ich manchmal völlig perplex bin, was man mir so schenkt. Denn daraus schließe ich, dass ich nicht der Einzige bin, der bei diesem Thema so seine Schwierigkeiten hat.
Wobei es bei meinen Freunden ja meistens noch relativ einfach ist. Denn erstens habe ich nur eine Handvoll guter Freunde. Und zweitens liege ich da mit einer Flasche guten Wein selten falsch. Es ist nur so, dass ich von diesen Freunden zu Weihnachten oder zum Geburtstag so gut wie immer auch eine Flasche Wein geschenkt bekomme und dann achtgeben muss, dass diese in einem absehbaren Zeitraum auch wirklich getrunken und nicht etwa von mir selbst ungewollt wieder als Geschenk in Umlauf gebracht wird. Ich habe mir übrigens schon mehrmals vorgenommen, die Flaschen im Weinregal zu markieren und so einer möglichen Peinlichkeit entgegenzuwirken.
In einigen Wochen hat mein guter Freund Franz Geburtstag. Diesmal, habe ich mir gedacht, muss es wirklich einmal etwas Anderes werden als wieder nur eine plumpe Flasche Wein. Vielleicht etwas, was man nicht so ohne weiteres kaufen oder im Internet bestellen kann. Etwas ganz Persönliches eben! Und wie aus dem Nichts kam mir schon kurze Zeit später, ein, wie ich zunächst meinte, beinahe genialer Gedanke: Wie wäre es, wenn ich Franz ein Wort schenken würde? Ein Wort, wie es früher in unserer Gegend oft verwendet wurde und inzwischen komplett abgekommen ist. Denn Franz und ich hatten uns schon öfter darüber unterhalten, wie schade es eigentlich um viele, heutzutage leider nicht mehr gebräuchliche Ausdrücke der steirischen Mundart ist. Wenn ich ihm also ein Wort schenken würde, eventuell sogar mit der Auflage, dieses bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verwenden? Das wäre doch etwas! Es würde nichts kosten und dennoch zumindest für uns beide über einen hohen ideellen Wert verfügen. Genau betrachtet, wäre es sogar ein sehr nachhaltiges und überaus persönliches Geschenk. Möglicherweise würde es uns sogar gelingen, noch ein paar andere Leute aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis von dieser Idee zu begeistern. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr gefiel mir meine Idee. Und ich wusste auch schon, welches Wort ich meinem Freund schenken würde. Ich dachte daran, dass der Begriff "ferten" und gleich dazugehörend, als Bonus sozusagen, "vorferten" ein überaus kreatives Geschenk wären. Diese Bezeichnungen stehen für "Vorjahr" und "vorvoriges Jahr" und wurden früher nicht nur in der Steiermark im ländlichen Bereich recht häufig verwendet. Einige Tage überlegte ich, in welcher Form ich Franz diese beiden Worte überreichen sollte. Nur mündlich wäre doch wohl zu dürftig. Nein, das musste schon auf würdigere Art geschehen! Sogleich kam mir eine schöne, eindrucksvolle Urkunde in den Sinn. Ja, das hätte schon etwas für sich! Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr war ich davon überzeugt, die grandiose Idee für ein unvergessliches Geschenk zu haben.
Doch plötzlich durchzuckte mich ein gewaltiger Schreck! Denn ist so ein Wort – auch wenn es heutzutage so gut wie nicht mehr verwendet wird – nicht ein Allgemeingut? Darf man so etwas überhaupt verschenken? Oder mache ich mich dadurch strafbar und stehe womöglich mit einem Fuß im Kriminal? Und nicht nur das! Denn was passiert mit Franz, falls er die Worte als Geschenk annimmt? Er weiß doch, dass diese nicht mein Privateigentum waren. Erfüllt er dann möglicherweise den Strafbestand der Hehlerei? Gar nicht auszudenken! Und wenn sonst noch jemand aus unserem persönlichen Umfeld von dieser bedenklichen Sache Bescheid wusste? Sind diese Personen dann Mitwisser, die vom Gesetz verfolgt werden können? Fragen über Fragen und die Idee von diesem ausgefallenen Geschenk für den Freund werde ich schleunigst wieder fallen lassen. Sicher ist sicher! Wer will schon wegen einer solch undurchsichtigen Sache mit dem Gesetz in Konflikt kommen? Und somit ist die Sache entschieden: Mein Freund Franz wird von mir, so wie schon in all den letzten Jahren, auch diesmal wieder eine Flasche Wein bekommen.
© Erwin Macher, 2023
Wir bedanken uns bei Herrn Macher für die langjährige gute Zusammenarbeit und wünschen ihm auch weiterhin viel Erfolg beim kreativen Schreiben!